Geschichten
von Symposien

Harald Jegodzienski
Hasin Esh

Ceramic Biennale
Beer Sheva (Israel)
1993

Auszüge veröffentlicht in:
"Ceramics -
Art and Perception" Nr. 15, 1995 (Neuseeland)

Atmender Raum, eingefasst von haushohen, rostigen Stellagen, die von getaner Arbeit zeugen und turmhoch in rosa gespanntes Cellophan verpackte Dachziegeln, die sich in dieser Halle wie Eiskonfekt in einer Bonbonniere ausnehmen. Inmitten dieser Arena, in respektvollem Abstand, ausrangierte, vom ständigen Gebrauch patinierte Brennwagen, die ohne Schiene und Führung einer Herde verwilderte, grasender Stiere gleichen. Auf deren Rücken, einer Landschaft aus aufgehebelten Steinen, Sand, Vogeldreck und Mörtel, sollte neues Leben entstehen. Eine Abdeckung aus Pappe federt das Gröbste auf ein erträgliches Maß zu einem Arbeitsforum ab. Die Perfektion liegt in der gut laufenden Schublade im eigenen Studio.
Neue Räume provozieren neue Aufgabenstellungen eines bekannten Werkstoffs. Diese Räume flüstern das Zauberwort »Verknüpfung«. Eine Heerschar von Materialien mit Geschichte umlagert die Arena, hisst die weiße Flagge zum Zeichen ihrer Ergebenheit. Man muss nicht suchen - man findet.
Der eigene Pulsschlag mischt sich mit dem Takt des Maschinenorganismus, der uns mit dem ersehnten Halbzeugmaterial füttert. Einem Fluss, der uns entgegenkommt, - ständig - , der Gabelstapler als Vermittler. Jeder Haufen Dreck ist eine Goldgrube - die Oberflächen der entstehenden Arbeiten wollen veredelt sein. Schätze an gefundenen Materialien stapeln sich an den Flanken der Arbeitswagen. Gestelle werden konstruiert; es wird gehämmert, gesägt, gebaut. Die Arena nimmt wachsend die Form eines engmaschigen Labyrinths an. Plätze und Straßen werden zu Hinterhöfen und Gassen. Schließlich ist der Umweg ratsam, die Arena zu verlassen, um sein Zielort in diesem Raum durch ein anderes Hallentor wieder zu erreichen. Reitergestaltgleich erheben sich auf den Rücken zahlreich die Formen. Aus den grasenden Arbeitswagen sind schnaubende Wesen geworden.
Die Publikumstage lassen unwillkürlich die Geschichten Hemingways aus Pamplona lebendig werden. Junge Stiere, die mit der zusammengekniffenen Zeitung aufgepeitscht, durch die Gassen Pamplonas getrieben werden. Doch unsere Formen stehen, und wir dahinter - und erzählen in kontinentübergreifenden Sprachen über unsere Arbeiten. Das gleißende Fernsehlicht macht nicht scheu. Das emsige Arbeiten steigert sich, je intensiver und konkreter der Lichtkegel der Kameraausleuchtung sich im Augenwinkel abzeichnet. - Gleich einem Teich, eingefasst von einer für das Auge unentwirrbaren Uferböschung, hält sich gierig der des Hebräischen nicht mächtigen an den fotografischen Konterfeis unserer Aktivitäten in den Zeitungen fest - inmitten einer unbekannten Hieroglyphenlandschaft.
Erdmenschen sind genügsam. Der ungefilterte Staub, die akustische Mischung zweier lautstarker Organismen verhindert nicht den Genuss der belegten Brotflöten und des ungefilterten türkischen Kaffees. Essensgemeinschaft inmitten von Rakuöfen, Palmen und gestapelten Dachpfannen auf ausrangierten Gestellen, Maschinen, Steinen mit Pappsitzkissen. Für den Unkundigen wird verborgen bleiben, dass aus der Torein- und ausfahrt ein stattlicher Essraum entstanden ist. Raufbold-Katzen übernehmen scheu unsere Essensreste.
Die Arbeitswagen werden abgesattelt. Die entstandenen Arbeiten verlassen die entstehungsgeschichtliche Heimat, um in eine Passepartout-Kulturlandschaf einzutauchen. Neue räumliche und rezeptorische Beziehungen werden geknüpft, mit dem Gefühl eines Durchreisenden, der seine Heimat verlassen hat. Die Wüste ist uns näher, als die Wüstenei aus Beton, Stahl und Kunststoff. Wie Kadaver, als Zeichen eines verlorenen Kampfes, werden die Brennwagen auf den Kufen eines Gabelstaplers aus der Arena befördert. Die auf ihren Rücken entstandenen Skulpturen treten nun den Zug durch die Ausstellungen an.
Landewarteschleife über Frankfurt. Das Einschweben in die Wolkendecke nimmt sich wie das Eintauchen in überdimensionierte Korallenbankwelten aus. Lässt die Erinnerung wach werden, mit der quellenden, gestapelten und geschichteten mächtigen Steinwüstenlandschaft der Negev konfrontiert worden zu sein: Menschlich dimensioniert-klein, klebt ehrfürchtig das antike Heiligtum zum Lobe und zur Beschwörung dieser Natur am übermächtigen Felsmassiv. Ebenso ehrfurchtsvoll fragend stand angesichts dieser Naturformen eine internationale Gruppe von Erdmenschen im ausgetrockneten Fluss- und Arbeitsbett. Das Erstaunen dieser Steinwelt wurde schließlich lechzend durch kümmerliche, vorzeitliche Ritzzeichnungen von Menschenhand und der Suche nach Mikrokosmen in handlichen Steinen, Knochen und Hölzern befriedet.
Dieser Lehrmeister »Natur« verwies mich liebevoll und bestimmend zu einem anderen Meister, - dem formbaren Material »Erde«. Zu ungeheuerlich ist die Ausbildung der Natur, als dass man sie wiederholen könnte. Ein Ausweg scheint das Naturstudium und die Konzentration auf die Sprache mit dem aus der Natur vorgefundenen Materials »Ton« zu sein, das die Formenenergien von Natur in sich birgt. Das ehrliche, zunächst hilflos tapsende Buchstabieren des bildnerischen Alphabets mit diesem Material kann schließlich zu Sätzen, endlich mitunter auch zu Gedichten oder zumindest zu einer verständlichen Sprache führen. Erdarbeit, als eine Art zweite Form von Natur, durch menschliche Arbeit und dem Feuer sublimiert zu einem Objekt, das Natur, künstlerische Äußerung und die Kultur der Technik verbindet.
Angesichts der Kleinkariertheit, der Häuserzirkel, - auf dem Heimatboden sich langsam abzeichnende, immer näher kommende Kulturlandschaft -, stellt sich ein Frösteln ein. Der hier beginnende Frühling wird spontan als versteckter Erpressungsversuch gewertet, sich nun auch in diesen Breitengraden wieder ein- und wohlzufühlen

TeilnemerINNEN des Symposiums

Eduardo Andaluz (Spanien)
Luisa Arcos Gavira (Spanien)
Shlomit Bauman (Israel)
Ruty Benjamini (England)
Raheli Cadmor (Israel)
Gila Ben-David (Israel)
Marylyn Dintenfass (USA)
Lea Dolinsky (Israel)
Tanya Engelstein (Israel)
Marianne Fossgreen (Dänemark)
Michael Flynn (Irland)
Zsuzsa Füzesi (Ungarn)
Tova Beck Friedman (USA)
Wladislaw Garnik (Polen)
Magdalena Hefetz (Israel)
Marion E. Held (USA)
Elke und Fritz Huala (Österreich)
Tsipi Itai (Israel)
Harald Jegodzienski (Deutschland)
Marlis Lischka (Deutschland)
Yoheved Marx (Israel)
Yudit Mayer (Israel)
Lee Milo (Frankreich)
Naomi & Nora (Israel)
Neta Omer (Israel)
Jeanne Opgenhaffen (Belgien)
Antal Pazmandi (Ungarn)
Myriam Perelmuter (Frankreich)
Ethel Pisareff (Israel)
Jim Robison (England)
Hava Rubinstein (Israel)
Frank Steyaert (Belgien)
Vladimir Tsivin (Rußland)
Doron Yakoby (Israel)
Alexander Zadorin (Rußland)